100 Jahre Phonographie

Hans-Werner Steinhausen

Zum 100 jährigen Jubiläum der Erfindung des Phonographen durch Thomas Alva Edison hält Dr. Hans-Werner Steinhausen am 27. April 1977 im Beisein des Bundespräsidenten Walter Scheel eine Festrede mit dem Titel »100 Jahre Phonographie«.


Zur Person Dr. Hans-Werner Steinhausen [1]
Dr. Steinhausen, gebürtiger Berliner, zählt zu den aktivsten Persönlichkeiten in der Phonographischen Wirtschaft. In den einundzwanzig Jahren seiner Tätigkeit für die Deutsche Grammophon Gesellschaft wurde die Schallplatte für ihn zu dem Kommunikationsmedium, das musischem Auftrag wie technischer Entwicklung am stärksten verpflichtet ist. In einem musikalischen Elternhaus aufgewachsen – die Mutter war Pianistin – hegte er zunächst den Wunsch, selbst ausübender Musiker zu werden. Mit zunehmendem Alter jedoch wuchs sich seine Hobby-Beschäftigung mit elektro-akustischen Dingen zu wissenschaftlichem Interesse aus. Steinhausen entschloss sich zum Besuch der Technischen Hochschule Berlin, die er 1930 als Diplomingenieur verließ. Nach einigen Jahren als Patentingenieur kehrte er an die Hochschule zurück, promovierte 1935 und trat dann als Entwicklungs-Ingenieur bei Telefunken ein. Nach dem Kriege wurde er Technischer Leiter der Telefunken in Hannover und übernahm 1950 bei der Deutschen Grammophon in Hannover die Leitung der gesamten Entwicklung.

Die Nachkriegsgeschicke der Deutschen Grammophon wurden durch den musikliebenden und -kundigen Dr. Steinhausen entscheidend mitbestimmt, der sich stets dafür eingesetzt hat, dass künstlerische Aussagen durch den technischen Umformungsprozess originalgetreu wiedergegeben werden. Der Weg des Prokuristen (1953), Fabrikdirektors (1957) und Geschäftsführers (1958) markierte entscheidende Jahre der Entwicklung der schwarzen Scheibe: Er hat entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Kunststoff-Schallplatte sowie der Einführung von Langspielplatte und Stereophonie. Die Gefahr einer technischen Überbewertung hat Dr. Steinhausen, ein Wegbereiter moderner Fabrikationsverfahren, stets zu meiden gesucht. Versöhnung von Muse und Technik ist der Leitstern, unter dem Steinhausens berufliches Schaffen stand. Der Begriff ‚Grammophon-Qualität’ war für ihn steter Ansporn. Er interpretierte das „Geheimnis der Qualität” als „Verantwortung gegenüber der künstlerischen Idee und Methodik und Sorgfalt in deren technischer Realisierung”. Besondere Verdienste erworben hat sich der Jubilar um die weltweite Normung in der Stereo-Technik. Der Entwicklung und Expansion der Gruppe Philips/Grammophon auf verwandten Gebieten (Film, Fernsehen, Video, Musikverlagswesen) steht Dr. Steinhausen heute aufgeschlossen-kritisch gegenüber. An die Zukunft der Schallplatte glaubt er ohnedies, „weil kaum ein anderes Medium so organisch und langsam gewachsen ist. Es gibt keinen sichtbaren und vorstellbaren Grund, an einem langen Leben der Schallplatte zu zweifeln”.

  1. [1] Auszug aus einer Pressemitteilung der Deutschen Grammophon Gesellschaft, Juni 1971