Der audiophile Lackfolienschnitt in halber Geschwindigkeit
Neu ist der Schnitt in halber Geschwindigkeit nicht: Schon 1949 wurde in Halfspeed geschnitten, damals allerdings noch auf Wachsmatrizen. Um 1970 musste man den Halfspeed-Schnitt bei Quadro-LPs anwenden, um die für die rückwärtigen Kanäle benötigten, modulierten Signale bei 30 kHz sauber schneiden zu können. Auch heute machen Half-Speed-Überspielungen durchaus Sinn: Speziell bei Programmmaterial mit vielen Höhen und durchsichtigem Klangbild kann der Halfspeed-Schnitt für zusätzliche klangliche Raffinesse sorgen und gilt als Möglichkeit zur Veredelung besonders wertiger audiophiler Produkte.
Das Prinzip
Beim Schneiden einer Masterfolie, die als Formvorlage für die Vervielfältigung einer Vinyl-Schallplatte dient, kann das Verfahren des Halfspeed Masterings zur Anwendung kommen. Bei diesem laufen sowohl die Zuspielung (Bandmaschine oder Computer) als auch die Schneidapparatur mit halber Geschwindigkeit. Auf diese Weise lassen sich Grenzen des analog Machbaren noch weiter ausreizen. Bei einer solchen Überspielung verschiebt sich die Tonhöhe der Musik um eine Oktave nach unten, wobei sich die Überspieldauer naturgemäß verdoppelt. Wenn die fertig gepresste Vinyl-Schallplatte wiedergegeben wird, ist die Tonhöhe wieder normal. Das fertige Produkt sieht wie eine handelsübliche Vinyl-Schallplatte aus, klanglich hat dieses Verfahren jedoch gewisse Vorteile.
Welche Überlegungen stehen hinter diesem Prinzip?
Im Kleinkindalter können wir Frequenzen zwischen 20Hz und etwa 20kHz wahrnehmen, der Bereich des Hörbaren wird mit zunehmendem Alter immer kleiner. Moderne Schneidköpfe sind in der Lage, diese Spanne abzudecken, doch die Probleme entstehen – wie beim Menschen – immer zuerst bei den hohen Tönen. Die mechanische Beanspruchung der Schneidapparatur ist bei hohen Frequenzen enorm, was zu Limitierungen führen kann. Reduziert man jedoch beim Schneidprozess der Masterfolie (engl.: soft master) die Tonhöhe auf die Hälfte, verschiebt sich das Spektrum auf den für die Schneidanlage unproblematischen Frequenzbereich von 10Hz bis 10kHz. Dies wirkt sich positiv auf die mechanischen Kräfte aus.
Vergleichen lässt sich dieser Effekt mit einer rasanten Autofahrt auf einer kurvenreichen Bergstraße: Bei halber Geschwindigkeit werden Material und Fahrer geschont, die Gefahr von quietschenden Reifen und einem Touchieren der Felswand reduziert sich drastisch. Auch der Schneidstichel kann bei halber Geschwindigkeit sauberer und verlustfreier eine »kurvenreiche« Rille in die Platte schneiden.
Klangliche Vorteile beim Halfspeed Mastering
Durch das Halfspeed-Mastering kann eine verbesserte Höhenwiedergabe der Vinyl-Schallplatte erreicht werden. Der Frequenzbereich wird erweitert, Verzerrungen werden reduziert. Das Verfahren wurde in der Vergangenheit vereinzelt angewendet, um Schneidköpfe vor Überlastung zu schützen oder um extrem hohe Frequenzen für die quadrophonische Wiedergabe schneiden zu können. Ersteres trifft auch heute noch zu: Elektronische Musik mit lauten Höhen kann durch Halfspeed-Mastering auf eine Vinyl-Schallplatte gebracht werden, ohne dass zu viele Kompromisse eingegangen werden müssen, da der Schneidkopf bei halber Frequenz nicht so stark belastet wird.