»Erfahrungsaustausch der Pensionäre«
Die Geschichte der Deutschen Grammophon 1898-1956
95 minütiges Audiodokument, zusammengestellt von Rainer Maillard 2023
Tonbandaufzeichnung von fünf Gesprächsrunden zwischen Geschäftsführung, Angestellten und Pensionären der Deutschen Grammophon Gesellschaft aus dem Jahr 1956/1957 über die Historie der Firma. Ein faszinierendes zeitgeschichtliches Dokument.
Zeitliche Einordnung
Die genauen Hintergründe der Einladungen zu den Gesprächsrunden lassen sich zurzeit nicht zweifelsfrei rekonstruieren. Die Deutsche Grammophone Gesellschaft hatte im zweiten Weltkrieg fast alle ihrer Dokumente und Unterlagen verloren, sowohl in der Verwaltung in Berlin, als auch in der Fabrik in Hannover. So muss die Idee entstanden sein, aktive wie ehemalige Mitarbeiter in Hannover nach ihren Erinnerungen zu befragen, um verloren gegangenes Wissen wieder aufzubauen. Der Termin Anfang 1956 lässt sich sicherlich damit erklären, dass der für April 1956 geplante Umzug der Geschäftsführung von Hannover nach Hamburg näher rückte.
Eingeladen wurde von der Geschäftsführung ab dem 6. Januar 1956 im 14-tätigem Rhythmus an fünf Abenden, jeweils freitags um 18 Uhr in die Kantine der Fabrik in der Podbielskistraße. Es gab Häppchen und Getränke. Die Gesprächsleitung übernahmen abwechselnd die Geschäftsführer Dr. Walter Betcke und Dr. Hans-Werner Steinhausen. An jedem Abend wurde ein Zeitabschnitt in chronologischer Folge abgehandelt.
Protokollierung der Gespräche
Die Aufzeichnung der Gesprächsrunde übernahm die Aufnahmeabteilung der DGG. Die Tonmeister (Gerhard Henjes und Ernst Kwoll) verteilten Mikrophone auf den Tischen und mischten die Gespräche mit einem Mischpult im Nebenraum zusammen. So konnte die Gesprächsteilnehmer entspannt an ihren Plätzen sitzenbleiben und sich nach Lust und Laune am Gespräch beteiligen. Die Gesamtspielzeit der 22 Tonbänder beträgt 6 ½ Stunden. Aufgenommen wurde auf AEG Magnetophon mit 1/4 Zoll Spurbreite, 76cm/Sekunde in mono. Die archivierten Bänder stellen allerdings schon eine Kopie dar. Warum nicht die Originalbänder archiviert wurden ist unbekannt. An mindestens drei Stellen sind Tonschnitte in den Kopien zu hören.
Die Abschrift
Nach den Aufnahmen wurde eine Abschrift mit Durchschlagpapier in mehreren Exemplaren angefertigt. Die Abschrift versuchte wörtlich zu transkribieren, allerdings gibt es Kürzungen und Umformulierungen. In der Abschrift wurde nicht dokumentiert, wer spricht.
Die „verschollene“ zweite Gesprächsrunde
Von der zweiten Gesprächsrunde am 20. Januar 1956 existieren weder Bänder noch Abschrift. Der Grund für den Verlust ist unbekannt. Um diesen Zeitabschnitt nicht unberücksichtigt zu lassen, wurde eine Nachaufnahme in kleiner Runde 21 Monate später durchgeführt.
Bisherige Verwertung
Auszüge aus der Transkription der Pensionärsgespräche lassen sich in folgenden Publikationen finden:
- Edwin Hein: 65 Jahre Deutsche Grammophon Gesellschaft. 1898-1963, Deutsche Grammophon Gesellschaft (Hg.), Hamburg: 1963.
- 100 Jahre Schallplatte: von Hannover in die Welt : Beiträge und Katalog zur Ausstellung vom 29. September 1987 bis 10. Januar 1988 im Historischen Museum Am Hohen Ufer, Hannover.
- Heinz R. Niemann: Ein Name und die Vielstimmigkeit, 1895-1995 HUNDERT JAHRE POLYPHON, Polyphon Film & Fernsehgesellschaft mbH, Hamburg, Hamburg 1995
- Sophie Fetthauer: Deutsche Grammophon – Geschichte eines Schallplattenunternehmens im „Dritten Reich“, Hamburg 2000.
Die Bänder selbst wurden bisher als Quelle nicht verwendet.
Der Zusammenschnitt
Aus den 6 ½ Stunden an Gesprächen auf Band wurde 2019 ein 88-minütiger Zusammenschnitt erstellt und in den Emil Berliner Studios vorgespielt. Im Jahr 2023 erfolgte eine Revision (95 Minuten).
Der Zusammenschnitt streift alle Themen der Gesprächsrunden. Versprecher, Wiederholungen, Nebensätze und lange Denkpausen wurden gekürzt oder herausgeschnitten. Einzig bei einigen längeren, technischen Beschreibungen von Walter Buhre in der zweiten Gesprächsrunde sind Umstellungen zum besseren inhaltlichen Verständnis erfolgt.
Die Teilnehmer
Herr Appel (Arbeiter)
Adolf Birth (Arbeiter)
Dr. Walter Betcke (Justiziar Vorstand und Geschäftsführer) ab 1927 bei der DGG
Herr Birkstrup (Arbeiter)
Robert Blanke (Prokurist) ab 1907 bei der DGG
Walter Buhre (Tonmeister) ab 1922 bei der DGG
Herr Daukstrum (Formendreher)
Herr Fenger (Arbeiter)
Herr Fritz (Nachnahme?)
Ernst Kwoll (Ingenieur der Aufnahmeabteilung) ab 1949 bei der DGG
Dietrich Moormann (Arbeiter) vor 1914 schon bei der DGG
Ernst Roediger (Direktion) ab den 1920iger Jahren bei der DGG
Alexander Schaaf (Ingenieur) ab 1938 für die Siemens und DGG tätig
Hans-Werner Steinhausen (Geschäftsführung) ab 1950 bei der DGG
Theodor Söffker (Galvanik) ab 1900 bei der DGG
Herr Spitter (Arbeiter)
Herr Thiery (Arbeiter)
Herr Wehrmann (Presser) ab 1902 bei der DGG
Hans Wolter (Kaufmännischer Angestellter) ab 1903 bei der DGG
Und einige weitere - noch nicht identifizierte - Mitarbeiter
Die Schreibweise einiger Namen kann anders sein
1890-1918 (1. Gesprächsrunde: 6. Januar 1956)
00:00 Begrüßung durch Dr. Walter Betcke
00:24 Erste Pressversuche 1870-1898
01:58 Herr Söffker berichtet über seine Einstellung am 30.3.1900
02:13 Mr. Hawd (Gramophone Company)
03:24 Kuhhaare in der Platte
04:11 Zinkätzung
05:53 Herr Wehrmann berichtet über seine Arbeit ab 1902
06:34 Etiketten
07:01 Herr Wolter im Lager seit 1903
08:34 Plattenversand
08:48 DG als englische Gesellschaft
08:57 Finanzierung durch englische Bankhäuser
09:16 Fabriken im Ausland
10:09 Über Joseph Berliner
11:08 Einführung des Urlaubs in Hannover durch Joseph Berliner
12:52 Ausstieg Joseph Berliner aus der DGG
13:23 Preisfrage, Auflage & Plattenpreise
15:57 Bestseller
17:10 Otto Reuter
17:39 Plattenversand nach Japan und China
18:07 Aufnahmeexpedition nach Belgien
18:40 Verstärkter Klang: Grammophon mit drei Trichter
19:10 Herr Roediger und Herr Wolter über das Auxetophon
20:56 Herr Roediger über den Einfluss des Rundfunks
21:33 Herr Betcke über Leo B. Cohn (Leo B. Curth)
22:35 Nikitsch-Platten aus dem Jahr 1913
23:15 Herr Wehrmann über den Ausbruch 1. Weltkrieg
1918-1930 (2. Gesprächsrunde, Nachholtermin: 4. September 1957)
24:37 Begrüßung durch Ernst Kwoll
25:06 Herr Blanke über die Revolution 1918
26:26 Rheinlandbesetzung
26:52 Hyperinflation
27:05 Plattenpreis während der Inflation
27:45 Weihnachtsgeschäft 1923
28:23 Klassische Künstler
28:50 Schlager & Tanzmusik
29:22 Vater-Mutter-System ab 1922
29:34 Neue Zusammensetzung Schellackplatten
30:14 Wachsabgussverfahren bis 1922
30:53 Versilberung 1924 Dr. Hagemann
32:44 Stückzahlen Handpressen pro Stunde
33:06 Walter Buhre berichtet über die Arbeit an den Hand- und Automatenpressen
34:07 Nebengeräusche - Über die Schneidsaphire
35:08 Aufnahmewachse
36:04 Herr Buhre über die Entwicklung des elektrischen Aufnahmeverfahrens
36:41 Anstellung Buhre 1922
36:56 Die ersten elektrischen Aufnahmen 1924
39:01 1927 Apparatur von der Brunswick durch Generaldirektor Bruno Borchardt
39:34 Über elektrische Schneiddosen
40:02 Über elektrische Tonabnehmer 1927
40:52 Wiedergabe mit Lautsprecher
41:30 Walter Buhre in Japan
42:57 Umsatz in Japan hilft der DGG
43:47 Große Dynamik bei Aufnahmen
44:52 Über die Begrenzer nach dem Krieg für Lohnpressungen
45:36 Herr Wolter über Lieferfristen
45:56 Schnelle Lieferung nach Kopenhagen
1930-1939 (3. Gesprächsrunde: 3. Februar 1956)
47:24 Über die Wirtschafts- & Finanzkriese
49:48 Über die Arbeitslosigkeit
50:27 Einstellung von Nationalsozialisten
54:59 Über die jüdischen Mitarbeiter in Berlin in 1933
56:39 Über Obmann Pinkes in Berlin
57:39 Obernarzisse Felske
59:01 Über Obmann Schindler in Hannover
1:00:04 Boykott am 1. April 1933
1:00:48 Flucht der Familie Borchardt am 31.3.1933
1:02:48 Liquidierung der DGG AG/ Gründung der DGG GmbH mit Telefunken
1:06:03 Aufschwung nach Neugründung
1:06:55 Wirtschaftliche Probleme der DGG zwischen 1931 und 1937
1:12:25 Gestapo im Haus
1:14:13 Matrizenvernichtung
1:15:03 Max Hansen
1939-1955 (4. Gesprächsrunde: 17. Februar 1956)
1:17:38 Kriegsbeginn
1:18:49 Schellacklieferung über Russland nach Kriegsausbruch
1:19:39 Angriff auf die Fabrik 1943
1:20:13 Luftschutzraum für russische Zwangsarbeiterinnen
1:20:51 Tod von Frau Söffker und Frau Emrich
1:22:01 Not-Arbeit 1944-1945
1:23:00 Zustand Mai 1945
1:23:35 Maßnahmen im Hinblick auf die bevorstehende Teilung Deutschlands
1:23:56 Auslagerung der Matrizen
1:25:12 Kapitulation & Einmarsch
1:27:03 Hausdurchsuchungen der Amerikaner
1:29:28 Englische Soldaten (HMV) schauen sich die Fabrik an
1:30:12 Steinhausen über technische Entwicklung seit 1948
1:31:04 Steinhausen über die Einführung der Vinyl-LP & Single
Schluss-Sitzung: (3. März 1956)
1:33:51 Schlusswort